Junge
Lilien setzen Zeichen
Die
Darmstädter Christian Beisel und Manuel Bölstler
haben sich im Regionalliga-Duell gegen die Bayern als
Alternativen bewährt
VON
SEBASTIAN GEHRMANN
Christian Beisel, der junge
Stopper, genießt das Bad vor der Menge und steht doch
ungläubig auf der Aschenbahn vor der Haupttribüne am
Böllenfalltor. Er strahlt über beide Ohren wie ein
Honigkuchenpferd, berauscht vom Augenblick, doch bald
wird er sich wieder unterordnen, zurück ins zweite
Glied rücken müssen. "Als ich erfahren habe,
dass es bei Abdoul (Thiam, derzeit verletzter
Stammspieler in der Darmstädter Innenverteidigung, Anm.
d. Red.) nicht geht, habe ich gewusst: Das ist
deine Chance, und die musst du nutzen", sagt
Beisel.
Reservisten haben es nicht leicht bei Bruno Labbadia.
Der ehrgeizige Trainer des Fußball-Regionalligisten
SV Darmstadt 98 rotiert nur selten, vertraut seinem
Stamm, verlässt sich auf Routine, eine eingespielte
Mannschaft. Experimentieren ist seine Sache nicht.
Bankspieler wie Beisel warten oft Wochen, Monate auf
den Tag, an dem sie länger als ein paar Minuten
auffallen können. Die ziemlich genau 90 Minuten am
Samstag gegen die hoch gelobte zweite Mannschaft des
FC Bayern München haben gereicht, "um dem
Trainer zu zeigen, dass ich da bin, wenn einer ausfällt".
Neben dem erfahrenen und unerschütterlichen Dennis
Grassow ackerte, hakelte und grätschte der unermüdliche
Beisel, als ob er die vergangene Saison nicht anderes
gemacht hätte. Tatsächlich aber hockte er die meiste
Zeit auf der Bank, er nennt das "Lehrjahre, die
ich noch vor mir habe". Im Sommer, in dem Wissen,
auch zukünftig nur zum erweiterten Stamm zu gehören,
Rollenspieler zu sein, der allenfalls in die Bresche
springen wird, wenn etablierte Kräfte passen müssen,
hätte Beisel sich nach einem Verein umsehen können,
der ihm einen Platz in der ersten Elf garantiert.
"Doch von den Trainingsbedingungen in Darmstadt
kann ich nur profitieren", findet er.
Beisel, der vor zwei Jahren von Waldhof Mannheim zum
1. FC Eschborn wechselte, beim damaligen Überraschungsaufsteiger
in der Regionalliga gesetzt war, um zwölf Monate später
zum Traditionsverein aus Darmstadt zu kommen, fügt
sich in seine Rolle, bietet sich an, ohne aus der
Reihe zu tanzen. Vor dem Auftritt gegen die kleinen
Bayern war er nicht nervös, "ich habe gelernt,
nicht über Fehler nachzudenken, denn sonst passieren
sie auch". Beisel hat versucht, "positiv zu
bleiben, Spaß an der Sache zu haben". Dann, sagt
er, "kann auch nichts schief gehen."
Labbadia lobte hinterher den Auftritt des 23-Jährigen,
"er hat sich richtig reingebissen". Der
Trainer weiß um seine Alternativen, um den
Konkurrenzkampf innerhalb der Mannschaft, der im
besonderen Maße im Mittelfeld entfacht ist.
Einst
als Rohdiamant gehandelt
Neben Beisel wusste in Manuel Bölstler ein weiterer
Junger zu gefallen, den niemand auf der Rechnung
hatte. An fast jeder sehenswerten Aktion war der
Blondschopf beteiligt. Er lief viel, bot sich an,
scheute keinen Zweikampf und unterstrich, "dass
ich wieder zurück zu alter Form finde". Bölstler,
22, galt in der Talentschmiede des VfB Stuttgart neben
den heutigen Nationalspielern Kevin Kuranyi und
Andreas Hinkel als weiterer Rohdiamant, sein Wechsel
zum holländischen Zweitligisten Cambuur Leeuwarden
stand aber unter keinem guten Stern. Ein lange nicht
erkannter Kreuzbandriss warf ihn aus der Bahn, zurück
in Deutschland, verletzte er sich in einem
Vorbereitungsspiel für die Lilien am Innenmeniskus
Labbadia gab ihm Zeit, baute ihn über Einsätze im
Reserveteam langsam auf. Geduld ist eine Tugend. Der
ehrgeizige Trainer predigt sie jeden Tag. Mit den
Hufen scharren, aber nicht ungeduldig werden, sich
anbieten, ohne zu murren, sind keine Worthülsen.
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